Alkohol, Kiffen und bitte alles was dicht macht
Will nun auch ein wenig von meinen Erlebnissen berichten.
War schon immer diejenige, die von Anfang an mit allem übertrieben hat. Hatte schon immer diesen Hang meine Grenzen selbstmörderisch auszureizen. Da ich ein extrem strenges Elternhaus hatte (Migrationshintergrund) blieb mir wahrscheinlich einiges erspart. Ich wurde früher regelrecht eingesperrt, war die Hölle. Egal.
Trotzdem experimentierte ich, rauchte mit 11 bereits Kette und war so gierig nach dem Zeug, dass ich, soweit das Klauen nicht misslang, auch nicht davor zurückschreckte Stummel zu suchen. Mit 14 fing ich an zu schnüffeln, bis ich einmal einen derart psychotischen Trip hatte, auf dem ich dann auch über ein halbes Jahr hängenblieb. Das war eine krasse Abreibung für mich und die nächsten Jahre ließ ich die Finger von den Drogen, außer natürlich der Zigarette, aber die war ja damals mein bester Freund, mein einziger Halt und Sinn. Krass eigentlich, aber ich hätte mich, wenn ich damals keine andere Alternative gehabt hätte sogar dafür prostituiert. Aber da es legal ist gerät man bei einer Nikotinsucht nicht in solch eine Bedrouille.
Ich kann sagen, dass ich bis zu meinem 21 Lebensjahr nie ein Problem mit Alkohol oder illegalen Drogen hatte. Die wenigen Male bei denen ich mich besoff endeten katastrophal mit krassen Suizidgedanken, Depressionen, kurz: ich verzichtete freiwillig darauf. Allgegenwärtig war jedoch diese innere Leere in mir. Versuchte eben mein Leben zu gestalten, Abitur, dann Studium, halt so das, wovon man glaubt, dass es das Richtige ist. Sicher hatte ich Potential, aber aufgrund der Unterdrückung in meiner Kindheit war ich es gewohnt mich zu ducken, traute mich nicht, das zu sein was ich wirklich war. So gesehen war ich damals ziemlich farblos, ein Nichts.
Dann lernte ich meinen Traummann kennen. Er war alles was ich mir je erträumt hatte: Franzose, mondän, Rebell, geil im Bett, absolut extrem in allem. Hab mich total verknallt und nach einer halbjährigen Fernbeziehungsphase schmiss ich mein Studium und zog zu ihm nach Paris. Was ich damal noch nicht wusste: er war stark Benzo-abhängig, manisch-depressiv und gewalttätig. Was anschließend passierte war der reinste Alptraum. Er hat mich geschlagen, vergewaltigt, erniedrigt und mich so klein gemacht, halt die ganze Palette an Grobheiten. Ich habe 1 1/2 Jahre gebraucht, um mich von ihm zu trennen. Ich weiß, viele wundern sich sicher wieso man mit so jemanden solange zusammen bleiben kann, aber genau das hatte ich mich auch immer gefragt, bevor ich ihn getroffen habe. War ihm ganz einfach vollkommen hörig. Er war über zehn Jahre älter als ich, war meine erste große Liebe und war so manipulativ und das auf eine so abgebrühte und emotionsfrei intellektuelle Weise... Er hat zwar sonst nichts auf die Reihe gekriegt, aber darin war er der King, das war sein Terrain. Im Nachhinein muss ich ihm trotz der Scheiße, die bei mir daraufhin folgte meinen Respekt zollen. Hab seit dem viel dazu gelernt.
Nun aber wieder zum Thema. In der Endphase der Beziehung war ich derart fertig, dass ich anfing zunächst Antidepressiva zu schlucken, bis ich Cannabis und Alkohol für mich entdeckte. Ohne hätte ich es nie gepackt mich von ihm zu trennen. Cannabis und Alkohol füllten die Leere, die er nach der Trennung bei mir hinterließ.
Daraufhin folgten drei wirklich gute Jahre. Ich kehrte zurück nach Deutschland und fand Zugang in Intellektuelle Kreise, trieb mich mit Künstlern rum. Drogen gehörten dabei dazu wie der Sauerstoff beim Atmen, wobei ich außer Cannabis und Pilzen keine Illegalen Drogen zu mir nahm. Jegliche Chemie galt bei uns als vulgär. Wie dumm wir waren. Im Nachhinein betrachtet spielt es überhaupt keine Rolle womit man sich zudröhnt. Die Drogen halfen mir über meinen eigenen Schatten zu springen, das zu sein was ich bin, ohne mich zu ducken. Und ich merkte, dass es ok war. Ich war super so wie ich war, nun da ich mich traute mich selbst zu produzieren, enthemmt durch die Drogen. In diesem Sinn halfen mir die Drogen meine eigenen Grenzen auszuweiten.
Doch ich kriegte nicht die Kurve. Ab meinem 25 Lebensjahr passierte das, was ich nie für möglich gehalten hätte. Die Drogen übernahmen die Kontrolle über mein Leben. Früher benutzte ich die Drogen, doch irgendwann brauchte ich sie und ich brauchte sie immer öfter. Anfangs nur an Wochenenden, dann bei gesellschaftlichen Zusammenkünften, es wurde immer mehr. Meine Freunde distanzierten sich zu mir, außer denen, die auch selber ein ähnliches Konsumverhalten aufwiesen wie ich. Am Schluss kannte ich nur noch Leute, die selber konsumierten und da ich im Zeitablauf beim Konsumieren zu Black-outs und ausfallendem aggressivem Verhalten tendierte, begann ich zunehmend an alleine zu trinken und zu kiffen. Wozu auch soziale Kontakte. Der Alkohol war mein Vater, meine Mutter und mein Geliebter. Ich brauchte sonst nichts weiter. Mit der Zeit wurde ich zunehmend unfähig mein normales Leben aufrecht zu erhalten. Ich vernachlässigte mein Studium und schlug mich mit Gelegenheitsjobs durch und je weniger ich im Leben erreichte und je perspektivloser ich wurde, umso mehr betrank ich mich.
Anfangs konnte ich mir kein Leben ohne Betäubung vorstellen, aber dann bekam ich mit 27 eine starke Depression mit psychotischen Zügen. Ich war so richtig fertig, degeneriert, wusch mich kaum noch. Ich war überfordert von allem. Die Leute, die mich von früher kannten waren meißt total geschockt, aber keiner konnte mir helfen. Sie haben auf mich eingeredet, aber es hat schlichtweg nichts gebracht. Da ich mich schämte isolierte ich mich dann natürlich umso mehr. Irgendwann stand ich komplett alleine, ohne Freunde, ohne Geld und mit Stimmen in meinem Kopf die mir befehlten, ich solle mich selbst töten. Das war der Punkt an dem ich begriff, dass ich was tun musste.
Das Ganze ist jetzt 6 Jahre her. Seitdem habe ich sicher mehr als 20 Entgiftungen hinter mir. Ich wurde immer wieder rückfällig. Bei meinem letzten Rückfall drehte ich derart durch, dass ich mit Polizei und Krankwagen gewaltsam in die geschlossene Psychatrie eingewiesen werden musste. Mein Gott, wer hätte vor zehn Jahren je gedacht, dass so etwas mir passieren würde.
Bei meiner letzten Entgiftung lernte ich einen Substituierten kennen und verliebte mich unsterblich in ihn. Wir wollten gemeinsam aussteigen, uns dabei unterstützen und uns bis ans Ende unserer Tage lieben. Ha Ha Ha! Kurz nach seiner Entlassung wurde er rückfällig. Bei dem Versuch ihm zu helfen wurde auch ich wieder rückfällig und konsumierte aus Neugier mehrfach Heroin. Da wir das gemeinsame Spritzbesteck benutzen habe ich, wenn ich Pech habe jetzt wahrscheinlich noch Hepatitis C. Ich weiß, ich bin doof, aber ohne Alkohol wäre ich sicher nicht auf so ne scheiß Idee gekommen. Glücklicherweise hat mich das Heroin nicht angetörnt. Es produziert genau das, was ich nicht mehr möchte, nämlich platt sein. Eine kurze Zeit später kam dann doch noch die Erleuchtung und ich habe mich von ihm getrennt, mir eine neue SIM-Karte besorgt und die alte entsorgt, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Das ist mir wirklich sehr schwer gefallen, weil ich ihn wirklich liebe. Er hat es mir nicht leicht gemacht, hat mir vorgeworfen ich sei ein eiskaltes Biest und würde ihn hängenlassen. Sorry, aber jeder muss sich selbst den Arsch abwischen. Wenn ich vollkommen gesund wäre, würde ich ihn ja unterstützen, aber in meiner momentanen Situation ist er ein enormer Risikofaktor für eine erneute Einweisung in die Psychatrie. Hatte auch echt Schuldgefühle, aber ich hab schon genug Scheiße hinter mir und stehe nicht so auf Wiederholungen.
Vor 14 Tagen habe ich einen erneuten Entzug gemacht. Es war wiedermal die Hölle: Krämpfe, Depressionen, Angstzustände, Schweißausbrüche, Hoffnungslosigkeit. Bin glücklich wenigstens körperlich frei zu sein. Werde mich den Anonymen Narcotics anschließen und im nächsten Jahr wegziehen, eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich machen und wieder von Null anfangen. Vielleicht werde ich ja wieder rückfällig, aber ich werde niemals aufgeben. Ich werde dann wieder entziehen. Ich habe mir geschworen frei zu sterben.
An alle die in einer ähnlichen Situation sind: gebt nicht auf, kämpft weiter. Sucht ist eine chronische Krankheit und oftmals braucht man mehr als einpaar Anläufe, um mit der Tatsache klarzukommen, dass man sein Leben von nun an ohne Drogen zu meistern hat. Jeder Rückfall ist eine Erfahrung und mit jeder neuen Erfahrung kommt man dem Ziel suchtfrei zu leben näher. Bei mir ist es so, dass in diesen sechs Jahren die Abstinenzphasen immer länger geworden sind und auch die Trinkphasen wurden kürzen. Anfangs hab ich nach einem Rückfall mehrere Monate durchgesoffen, ohne mich stoppen zu können. Konnte mir nicht vorstellen ohne Drogen zu leben. Jetzt kann ich es, weil ich es ausprobiert habe. Trotz allem ist die Sucht heimtückisch. Sie erwischt dich immer wieder.
Ich wünsche allen, die den gleichen Weg beschreiten wie ich viel Kraft, Mut und Beharrlichkeit. Drückt mir die Daumen.
Substanzen
- Alkohol
Kommentare
Kommentar von carmen |
Unglaublich
Ich drück dir aufjedenfall die Daumen!! Du hast so viel durchgemacht und so viel erlebt das ist einfach unglaublich!! Du wirst bestimmt alles erreichen was du dir vornimmst. Du wirkst so stark und wirkst als hättest du einen guten und starken Charakter!!
Ich wünsche dir alles gute!!
Kommentar von lara |
RESPEKT!!!! einfach nur
RESPEKT!!!! einfach nur RESPEKT...
Kommentar von Gast |
Ich wünsche dir alles Gute!
Ich wünsche dir alles Gute!
Kommentar von Toni |
Du bist einfach super
Habe genau das gleiche durchlebt wie du...bis auf das Heroin...das blieb bei keinem Bruder vor enthalten und hat mich zum Glück nie erreicht. Wünsche dir nur das aller beste und die kraft für einen erneuten neuen Anfang und das du die trüben Jahre hinter dir lassen kannst. Du bis ein ganz besonderer einzigartiger Mensch...und wer das nicht erkennt ist nicht deinEinen Kommentar schreiben