Naama
Hi, ich bin 19 Jahre alt und jetzt seit ziemlich genau 4 Jahren dabei. Ich will nicht darüber urteilen, wer mit H umgehen kann und wer nicht. Ich kann für meinen Teil nur sagen, dass es mich kaputt gemacht hat und ich kenne persönlich niemanden, der ab und an H nimmt so wie er Alkohol trinkt oder kifft. Jeder fing früher oder später an, sich in Exzesse zu stürzen. Ich will nicht ausschließen, dass es solche Leute gibt, aber ich denke die Mehrheit der Menschen wird von den Tücken einfach überrollt. Egal, wie viel man vorher darüber nachdenkt. Ich fing mit Heroin in einer sehr traumatischen und depressiven Phase meines Lebens an, deswegen ging die Konsumkurve bei mir auch ziemlich explosiv nach oben, abhängig war ich auch spätestens nach einer Woche, ich kann das aber nicht genau sagen, weil ich mir von Anfang an keine Auszeiten gönnte und auch sehr früh mit dem Fixen anfing. So gesehen war ich psychisch davon abhängig, bevor ich überhaupt damit anfing. In den letzten 4 Jahren habe ich Leute leben und sterben gesehen, aber irgendwie hat mich das nie so abgeschreckt, dass es mir den letzten Stoss hab, damit aufzuhören. Ich hatte bei dem Gedanken, daran sterben zu können zwar eine Scheißangst, aber ich schob den Gedanken auch immer wieder schnell weg und verdrängte ihn, zeitweise war es mir auch egal ob mich das Zeug umbringt. In der Zeit habe ich auch pro Jahr bestimmt 2-3 (meistens kalte) Entzüge gemacht, aber auch einen Selbstmordversuch in Form von Überdosis (an einen Hilfeschrei dachte ich da nicht mehr). Direkt nach den Entzügen ging es mir immer sehr prächtig und ich war extrem stolz auf mich, dies hielt immer so 2-3 Tage an. Aber mit der kommenden Leere bin ich nie fertig geworden, wehrte mich noch ein paar Tage oder sogar Wochen dagegen, landete dann aber doch wieder beim Heroin. Den Selbstmord versuchte ich, wie gesagt, mit einer Überdosis. Ich schaffte es aber nicht mehr, alles reinzudrücken, weil ich gleich wegkippte und schnell gefunden wurde. Im großen und ganzen war und ist das alles eine Achterbahn der Gefühle, egal ob ich drauf bin oder nicht. In stationärer Behandlung war ich auch mal, vor etwa 2 Jahren, danach war ich etwa 3 Monate clean. In dieser Zeit schien sich mir ein neues Leben aufzubauen, ich ging wieder zur Schule und fand einen Freund, der von Drogen nicht viel Ahnung hatte und auch sonst von einem ganz anderen Leben stammte als ich. Ich muss hier dem 21-jährigen Schreiber aus Baden-Württemberg hier sehr zustimmen. Ich war wirklich SEHR verliebt meinen Freund, für mich gab es in dieser Zeit nichts anderes und wichtigeres als mit ihm zusammen zu sein, Gedanken ans Heroin hatte ich fast keine, und wenn, dann war es ein sehr distanzierter Blick, d.h. schussgeil wurde ich dabei eigentlich nie. Das Problem war aber, dass ich ihm meine Vergangenheit immer verschwiegen hatte (und zu der gehörte auch regelmässiges Anschaffen). Als ich all meinen Mut zusammen nahm und ihm davon erzählte, hielt unsere Beziehung noch ganze 2 Tage und er sagte mir, dass er damit nicht leben könne. Selbstzerstörerisch wie ich bin, fing ich wenig später wieder mit dem Drücken an, nachdem für mich meine eben aufgebaute heile Welt in ihre Einzelteile zu zerfallen schien. Auch danach habe ich immer wieder Entzüge gemacht, aber von besonders langer Dauer war das nie. Ich stürzte mich auch immer wieder in Beziehungen, und je nachdem wie aufgehoben ich mich fühlte, desto besser konnte ich mich vom Heroin fernhalten. Ich brach auch immer wieder Beziehungen zu Menschen in meinem Leben durch diese Droge ab. Ich hatte eigentlich immer Menschen um mich herum, die mit Heroin nichts am Hut hatten und versuchten, mir zu helfen. Aber immer wieder musste ich mein eigenes Unvermögen erkennen und brachte es irgendwann nicht mehr fertig, ihnen immer und immer wieder zu gestehen, dass ich keinen Schritt weiterkomme und sah, dass sie sich zum Teil wirklich erhebliche Sorgen und auch das Leben schwer machten. So brach ich immer wieder plötzlich den Kontakt ab, dies war auch bei Internet- und Chatbekanntschaften so. Vor etwa einem halben Jahr starben meine Eltern und mein Bruder, und ich fiel in ein noch tieferes Loch. Es staute sich eine Menge an und ich dachte nicht im Traum mehr daran, jemals wieder vom H wegkommen zu können. In dem letzten halben Jahr drückte ich so viel und intensiv wie noch nie zuvor. Aber vor ziemlich genau einer Woche erzeugte ein simples Chatgespräch (mit einer aber nicht simplen Person) ein Gefühl in mir, dass ich sofort aufhören wollte. Mir war in diesem Moment klar, dass dieses Gefühl schnell wieder weg sein könnte bzw würde. Ich sprach daraufhin mit dem einzigen WG-Mitbewohner, der zurzeit da war (ich kannte ihn vorher eher schlecht; warum will ich jetzt nicht ausführen, ich hab ja schon viel zu viel geschrieben; jedenfalls hat er mit H nichts am Hut). Nachdem wir uns stundenlang unterhalten hatten, liess er sich auch gar nicht mehr von dem Gedanken abbringen, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen. Naja, was soll ich sagen, es wurde dann der heftigste Entzug, den ich je durchgemacht habe. Aber ich erfuhr dabei auch unglaublich schöne Momente von Zuneigung, Respekt, Nähe und Fürsorge. Mein Körper zittert zwar immer noch ziemlich, aber das heftigste ist vorbei. Es war, wie gesagt, nicht mein erster Entzug und ich stehe erst am Anfang. Aber das Gefühl, es diesmal zu schaffen, war noch nie so stark wie jetzt, so viel kann ich schon mal sagen. Ich kann die 21-Jährige Hamburgerin aber auch gut verstehen. Ich konnte auch meinen Partnern und anderen Menschen nicht böse dafür sein, dass sie ihr Leben lebten und ich konnte nicht verlangen, dass sie gegen ihre Gefühle und vielleicht auch Überzeugungen handeln. Es gab bei mir genug Situationen, in denen es so aussah, dass ich niemals davon wegkommen würde und ich bin ja bis jetzt noch nicht endgültig davon weg. In vielen Momenten merkte ich, dass ich andere einfach zu tief herunterziehe und mit meinen Problemen und meiner Lebensweise zu viel Kummer bereitete. Viele wendeten sich ab, aber von vielen wendete ich mich ab, weil es mir selbst auch wieder zu viel Kummer bereitete, sie wegen mir leiden zu sehen und dass sie wegen mir ihr Leben nicht so leben konnten, wie sie es sonst täten. Und vielleicht hatte ich auch einfach nicht mehr die Kraft, ihnen die Wahrheit zu sagen und sagte so lieber gar nichts mehr. Es gibt keine Garantie dafür, dass man da je wieder rauskommt und es kann sein, dass der Partner eines Abhängigen sich ewig lang in Loyalität übt, aber irgendwann merken muss, dass es nicht geholfen hat und sein eigenes Leben an ihm vorüber gezogen ist. Was ich bei meinen Kontaktabbrüchen vergass, war, dass viele dadurch dachten, ich wollte mein Leben endgültig beenden, vor allem was Internetbekanntschaften angeht. Als ich nach Monaten wieder meine Mailbox ansah, sah ich einige Mails im Sinne von ?An denjenigen, der Naama mal kannte?. Das hat mich schockiert, obwohl ich es hätte wissen müssen. Was ich von mir aber sicher sagen kann ist, dass ich es alleine nie so weit geschafft hätte wie jetzt und dass mich Gefühle zu Mitmenschen und Liebe dazu brachten, jetzt erneut aufzuhören. Und das Gefühl, diesmal dauerhaft davon wegzukommen, war nie so gross wie jetzt, auch wenn ich erst vor einer Woche aufgehört habe. Ich hoffe nur, dass die Leute, die ich in all den Jahren enttäuscht und denen ich so viel Kummer bereitet habe, mich irgendwann verstehen und mir verzeihen können.
Substanzen
- Heroin
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